Leiden ist ein Luxus, den man sich leisten können muss
In den letzten Nächten, beziehungsweise eher den Morgen- bis Mittagsstunden, die ich zumindest etwas schlafen konnte, gab es chaotische Träume.
Heute Morgen gab es zum Glück keine konkreten Erinnerungen, nur ein eklig-zerknautschtes Gefühl beim Aufwachen. Emails kamen an, ein paar der Blogs denen ich folge haben Artikel veröffentlicht. Ich lese und nicke, ja, kenn ich, kann ich nachvollziehen. Irgendwelche fremden Personen im Internet drücken stellvertretend für mich die Gefühle aus, die ich nicht habe.
Heute Nacht war ein Moment des Alleine-seins. „Wenn jemand mag, kann sie/ er rauskommen oder was schreiben“, sage ich in das Innen hinein. „Und dann? Du wärst überfordert. Ihr müsst eure Arbeit erledigen. Jetzt emotional zu werden würde nichts bringen.“, kommt es aus ihm zu mir heraus. Sie haben recht. Was bringt es mir, etwas zu spüren, oder was bringt es einem Innen, sich auszudrücken, wenn darauf nichts folgen kann oder schlimmstenfalls Alltagsstabilität gefährdet wird.
Und warum sollte jemand mit mir kommunizieren, wenn ich sowieso nichts halten kann, mit allem überfordert bin? Und da auch keine Therapeutin ist, die zumindest in meiner Idealvorstellungwunschtraumhoffnung jemand wäre, die das hält?
Ich gab also der, die mir geantwortet hatte, Recht. Ich weiß, dass sie recht viel weiß vom Innen. Und dass meine naive „Einladung“ mal wieder darauf basierte, dass ich nichts weiß, sondern bagatellisiere, ein „Irgendwie ist Innen schlimm“ denke, von dem ich aber keine konkrete Vorstellung habe, außer in den Momenten akuter Überflutung oder Flashbacks, wenn mich jemand von Innen teilhaben lässt.
Die anderen mitzubekommen wäre ein Luxus, der erst in äußerer Sicherheit überhaupt möglich wird. Ich, als Außenperson, bin im Luxus scheinbarer Sicherheit aufgewachsen. Daher ist Sicherheit für mich definiert als das, was ich grade habe: in einem „friedlichen“ Land wie Deutschland leben, keine existenzielle Armut, sondern Essen/ Trinken/ warmes Wasser/ eine Wohnung haben, grade sogar Sommer (auch wenn mir das relativ egal ist, während ich die Wohnung fast nie verlasse), keine äußeren Bedrohungen, die eine echte Gefahr darstellen.
Nur, die Innenpersonen empfinden das anders, also würde ich, hätte ich mehr Kontakt, natürlich merken, dass meine Definition von Sicherheit anders ist. Da ich nicht die Traumatisierungen erfahren habe, die diese Innenpersonen erlebt haben, wird bei mir auch nichts getriggert – bei ihnen eben schon. Da es doch nur ein Gehirn ist, beeinflusst es auch mich, das macht sich dann bemerkbar mit einem unfassbar hohen Stresspegel zur Zeit, keinem Appetit, Schlaflosigkeit, Lähmungsgefühle und einer ungeheuren Anstrengung beim Versuch, zumindest ein paar Pünktchen meiner To-Do-Liste abzuarbeiten.
Für die Innenpersonen sind äußere Anforderungen nur abgleichbar mit Erfahrungen, die sie gemacht haben im Kontext der Gewalt.
Und dieser Kontext geht auch auf, wenn jemand von Innen mitbekommt, dass etwas geleistet werden muss, das dann überprüft / bewertet wird.
Mein Kontext ist: okay, sind keine schönen Situationen, ich bin vom Urteil anderer abhängig und die Kriterien für dieses Urteil sind höchst intransparent, und das fühlt sich eklig an. Aber es ist nicht lebensbestimmend. Ich habe bei Arbeiten schon versagt, mindestens in der Schule, und habe es überlebt, ja, halte selber von Noten ja nichtmal was und gebe dem kein solches Gewicht.
Nur mein Kontext ist eben nicht ihr Kontext.
Daher bringt es auch nichts, wenn ich mir meinen Kontext wieder und wieder erzähle, die Angst bleibt, denn die Angst ist von anderen, und auf deren Kontext bezogen. Der vermutlich beim Thema Leistung, Ver.Urteilung, Be.Wertung ganz anders aussieht. Und vermutlich das Gefühl existenzieller Bedrohung sehr wohl rechtfertigt. Die Frage ist ja auch, wie viel bekommen sie mit vom Außen? Was kommt wo bei wem Innen an? Nur die Info, dass im Außen gerade eine Leistung erbracht werden muss? Oder auch, dass es nur um eine relative Nichtigkeit geht?
Manche Hohen im Innen werden über das Außen Bescheid wissen, aber gerade jüngere Innens vermutlich nicht so richtig. Überhaupt ist es ja auch ein Ziel der Spaltung, dass zwar Außenpersonen nichts vom Innen mitbekommen, aber auch der Großteil der Innenpersonen nichts oder nicht viel vom Außen. So können dort niemals die alten Überzeugungen und Beigebrachtes überprüft werden.
Um die äußeren Anforderungen hinter mich zu bringen, muss ich diese Spaltung wieder verdrängen und mich auf die nächsten paar Dinge konzentrieren, so gut das geht.
Denn etwas zu fühlen und dann etwas im Außen nicht zu schaffen, was wieder Gefühle erzeugen würde, das hat irgendwie auch keinen Sinn…
und so wird die Aufarbeitung mal wieder nach Irgendwo, Irgendwann, Vielleicht verschoben, und auf das Wunschtraumbild einer hoffentlich bald irgendwo irgendwann beginnenden Therapie.
Hast du noch keinen Therapeuten finden können?
Ich kann sehr gut nachempfinden, was Du/Ihr fühlt. Fühl dich durch meine Kommentare nicht genervt. Ich will dadurch nur irgendwie zeigen, dass Du erstens aufmerksame Leser hast und zweitens ich verstehe was Du schreibst. Ich bewundere, was du und wie du schreibst. Gerade als Neuling in diesem Gebiet, kann ich/man eine Menge dadurch lernen. Bei mir ist es anders wenn ich schreibe. Bei mir kommt immer allgemeines Wissen raus oder kreative Freischreiberei, die ich persönlich sehr mag.Aber ebenso kann ich nie etwas erzwingen. Aber ich habe meine Zeiten/Rituale und so kann ich doch fast immer, wie ich es will, mir wünsche, das produzieren, wozu ich lust habe, was ich mir vorstelle.
Viele liebe Grüße
Hallo Nismion,
vielen Dank für Deinen Kommentar und fürs lesen 🙂
Wir haben leider noch niemanden gefunden und machen jetzt auch erstmal eine Therapeuten-Such-Pause.
Ja, Schreiben kann sehr gut tun, das hilft hier auch oft…
Liebe Grüße!
Das ist ja doof. Dass du keinen gefunden hast. Ich hatte doppelt Glück. Erstens jemanden in meiner Nähe und zweitens noch mit Therapieplätzen. Ist aber auch eine „normale“ Therapeutin, meine ich. Aber ich finde sie gut, fühle mich mit meinen dingen sehr gut bei ihr aufgehoben. Werde nicht schräg angeguckt, wenn ich was erzähle etc. Ein sehr guter Glücksgriff.
Bei mir ist das Schreiben auch eine Lehre für mich selber. Durch das Schreiben lerne ich selber auch. Oder Dinge werden realer und mir selber bewusst. Ich verstehe manches erst, wenn ich es selber ausformuliert habe und dann lese. 🙂
By the way, das Impressum unten verlinkt noch auf eine falsche Domain 🙂 Wollte dir einen Link zu einem Forum schicken, was Dich vielleicht interessieren könnte.
Hallo @Nismion, ja, so geht es mir mit dem Schreiben auch, es hilft beim Reflektieren.
Das freut mich, dass Du Glück mit der Therapeutin hast 🙂
Ja war aber nur eine Kurzzeittherapie. Da alles wieder im Lot ist und ich noch Stunden habe, soll ich mich melden, wenn mal wieder was anliegt. So in der Art. Ich bin sehr an Deinem Thema interessiert, deswegen freut es mich auch, dass Du wieder einen Artikel veröffentlicht hast. Bei mir steht es in den Sternen ob ich auch multipel bin, eher in den Bereich Ego States. Ohne Tabletten habe ich Erfahrungen gemacht, die denen ähneln über die Du schreibst. Mit Tabletten ist alles so gut wie weg und ich funktioniere scheinbar normal. Ein Ausweg, den Du anscheinend nicht so einfach hast. Leider, kann man sagen. Liebe Grüße.
Ich finde auch,dass Du sehr gut ausdrücken kannst,was Du/ihr erlebt.
Würde es denn helfen,wenn jmd. im Aussen explizit nicht bewertet,beurteilt und einen sicheren Kontext von Reaktion bieten würde? Würde das nicht nach und nach den alten Kontext der Kleinen verändern?
Bzw. ….ist da „nur“ die Angst bzgl. des alten Kontextes oder gleichzeitig dann auch die unberechenbare Verurteilung von früher?
Ich hab bei mir festgestellt,dass ich es dann aussichtslos finde,etwas im Aussen zu tun,wenn ich die inneren Verurteilungen nicht im Griff habe,also nichts dagegensetzen kann. Aus Angst vor dieser Überflutung tue ich dann gar nichts. Als wenn ich selbst gar keinen Massstab für richtig/falsch/menschlich habe. Einfach nur…sich ausprobieren,weil man Mensch ist. Das lerne ich langsam.
viele Grüsse
Hallo Kris,
vielen Dank fürs lesen und Deinen Kommentar!
Ich glaube auf jeden Fall auch, dass der heutige Kontext langsam aber sicher etwas verändert. Wir machen ja ganz viele gute Erfahrungen mit dem Menschen aus dem heutigen Umfeld.
Ich befürchte aber, dass es in manchen Bereichen bei uns im Innen gar nicht ankommt, welche Erfahrungen wir heute im Außen machen. Oder nur bruchstückhaft.
Es braucht auf jeden Fall viele kleine Schritte.
Hast Du Hilfe dabei?
Das klingt schön, sich ausprobieren, weil man Mensch ist…
liebe Grüße!